Thomas Mayr - Singen
Aus dem Quadrat gefallen
die 100ste Austellung der jungen Galerie mit einem besonderen "Jubiläums"-Künstler
Im Juni 1996, also vor genau 20 Jahren startete die junge Galerie im
Hegau-Jugendwerk mit ihrer ersten Ausstellung. Fünf Ausstellungen im Jahr
bereichern seither für Patienten und Angehörige, aber auch für Mitarbeiter den
Reha-Alltag. Sie laden zum Innehalten, Überdenken oder auch zum Entwickeln neuer
Perspektiven ein, und sie unterhalten. Nach 20 Jahren in diesem Takt ist die
aktuelle Ausstellung von Thomas Mayr die 100ste Ausstellung im
Verwaltungsgebäude des Hegau-Jugendwerks.
Dass Thomas Mayr diese besondere Ausstellung bestreitet, ist ein glücklicher
Umstand. Er ist genau der Richtige für dieses Jubiläum. 1997 war der Singener
Maler und Museumspädagoge einer der ersten Künstler, der in der jungen Galerie
ausstellte.
Er konzipierte seine ganze Ausstellung speziell für diesen Ort, in der sich
Menschen in besonderen Lebenslagen befinden. Für viele Patienten ist die Zukunft
nach schwerer Krankheit oder Unfall noch unklar. Wird alles wieder werden oder
muss ein neuer Lebensplan entwickelt werden? Patienten und Angehörige sind durch
diese Situation belastet, manche traumatisiert. Es ist für viele eine harte
Zeit, die sie erst langsam hinter sich lassen können.
Thomas Mayr thematisierte „Befindlichkeiten“ die
Menschen im Hegau- Jugendwerk durchleben. Jedes Werk war speziell für diesen Ort
geschaffen. Dies hat es bisher so nicht noch einmal gegeben. In seinem Atelier
in
Singen arbeitete er nicht nur für sich, sondern gab
Kurse und führte Kunstaktionen mit Kindern und Jugendlichen durch.
Im Oktober 2013 dann stürzte er bei einem Arbeitsunfall 5 Meter in die Tiefe.
Die Folge waren unzählige Brüche und ein Schädel-Hirn-Trauma. Die Verletzungen
waren lebensbedrohlich, die Folgen schwerwiegend. Operationen und 5 Monate
Krankenhaus und Rehabilitationsaufenthalte folgten. Thomas Mayr musste sein
Atelier aufgeben und neue Perspektiven entwickeln. Bis heute sind die Folgen in
seinem Alltag spürbar. Die Belastbarkeit, das Gedächtnis, die Geschicklichkeit,
all dies ist noch nicht wieder so wie vor dem Unfall. Weitere Reha-Aufenthalte
stehen für ihn an. Inzwischen arbeitet er wieder im Singener Kunstmuseum als
Museumspädagoge. Lange und mühsam ist auch sein Weg zurück.
Ein weiterer Schritt auf diesem Weg ist für Thomas
Mayr das Wagen einer ersten eigenen Ausstellung nach dem Unfall. Und da ist die
junge
Galerie der ideale Ort. Hier sind junge Menschen, die in genau dieser
Lebenssituation sind. Die Ausstellungen im Hegau-Jugendwerk haben einen eher
geschützten Rahmen und wollen nicht nur Werke präsentieren, sondern mit der
Präsentation auch helfen, ja sogar heilen im Sinne rezeptiver Kunsttherapie.
Thomas Mayr hat nach seiner Atelierauflösung 2014
viele Werke aus allen Schaffensphasen in seinem
Keller
stehen. Als erst der Mut und dann der Plan für diese Jubiläumsausstellung
standen, schauten wir nach, welche Art von Retrospektive denn Sinn machen würde.
Schnell wurde klar, dass das Quadrat über alle Schaffensphasen auftaucht und
eine wichtige Rolle spielt. Selbst in der Reha schuf Thomas Mayr im Rahmen der
Berufstherapie Werke, in denen das Quadrat Thema ist.
Der Titel "Aus
dem Quadrat gefallen" , so sagt Thomas Mayr, "kommt zwar auch durch die
quadratischen Bildformate, die wir für diese Ausstellung aus meinem Fundus
ausgesucht haben, beschreibt aber auch das was, sich in mir heute noch abspielt.
Ich fiel aus geordneten „quadratischen“
Lebensumständen in ein ganz „neues Format“, das
ich erst langsam wieder finde."
Der rote Faden der 100sten Ausstellung der jungen Galerie ist also das Quadrat,
ob als Format, ob als Thema oder als Element. Es wird auf diese Weise das reiche
Schaffen von Thomas Mayr deutlich, der mit seinen noch bestehenden
neuropsychologischen Einschränkungen offensiv umgeht und auch den Patienten Mut
machen möchte. Er sucht den Dialog zu einer solchen Lebenssituation, die ihn mit
den Patienten des Hegau-Jugendwerks verbindet. Es braucht Mut und Geduld auf dem
Weg zurück ins Leben, und Menschen, die einen stützend dabei begleiten.
Die junge Galerie bedankt sich bei Thomas Mayr dafür, dass er genau vor diesem Hintergrund die 100ste Ausstellung gestaltet, viele Jahre nach seinem ersten Auftritt an gleicher Stelle. Es ist ein Jubiläum nach Maß !
Jörg Rinninsland
Anhang:
Thomas Mayr zu seiner Ausstellung
Aus
dem Quadrat gefallen:
·
Da ich schon in den 90ern in der jungen Galerie ausstellte, freute es mich sehr,
die 100ste Jubiläumsausstellung bestreiten zu dürfen.
·
Das Hegau-Jugendwerk Gailingen ist für mich genau der richtige Ort auszustellen,
da mich ein ähnliches Schicksal getroffen hat, wie die jugendlichen
Rehabillitanden in der Klinik und ich hoffe, dass die Arbeiten zeigen, dass das
Gewesene nicht vorbei ist und dass es sich lohnt, auch nach einem
einschneidenden Erlebnis weiterzumachen.
·
Der Titel „Aus dem Quadrat gefallen“ kommt zwar auch
durch die quadratischen Bildformate, die wir für diese Ausstellung aus meinem
Fundus ausgesucht haben, beschreibt aber auch das was, sich in mir heute noch
abspielt. Ich fiel aus geordneten „quadratischen“
Lebensumständen in ein ganz „neues Format“, das
ich erst langsam wieder finde.
·
Die Arbeit „Aus dem Quadrat gefallen“ auf dem Plakat ist eine der ersten
Arbeiten, die ich in der Reha in der Arbeitstherapie in der Schreinerei
gefertigt habe.
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Beim Auswählen geeigneter Bilder staunte ich nicht schlecht über die
Schaffenskraft, die ich in der langen Zeit vor dem Unfall hatte und in wie
vielen verschiedenen Techniken und mit wie viel verschiedenen Materialien ich
mich ausgedrückt habe. Das weckt wieder Lust auf Weitermachen in mir.
·
Ich freue mich, dass meine Bilder aus dem Lager in meinem Keller wieder ans Licht kommen und hoffe, dass das eine oder andere die Betrachter der Arbeiten, seien es Besucher, Patienten oder Mitarbeiter, zum Nachdenken über sich und andere anregt oder einfach Freude bereitet.
Liste
der Künstler
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